Kampf den Kilos: Wenn intuitives Essen zur Gewichtszunahme führt
Während sich die einen nach wie vor an restriktiven Diäten die Zähne ausbeißen, setzen andere wiederum gerade im Zuge der Anti-Diät-Bewegung auf das komplette Gegenteil: nämlich auf eine intuitive Ernährung. Bei physischem Hunger wird das gegessen, worauf man gerade Lust hat, soviel man davon möchte, bis man satt ist. Angeblich sollen dabei die Kilos mühelos schmelzen und dem Wohlfühlgewicht steht somit nichts mehr im Weg. Doch was, wenn genau das Gegenteil eintritt und dieser Ansatz ungewollt zur Gewichtszunahme führt?
„Intuitives Essen funktioniert nicht!“
Diesen Ausspruch musste ich mir sowohl im Rahmen meiner Coachings als auch in meinen Workshops bereits mehrfach anhören. Und ehrlich gesagt stand ich vor einigen Jahren selbst kurz davor, das hochgelobte Prinzip der intuitiven Ernährung zu verdammen. Nach Monaten des intuitiven Essen zeigte meine Waage nämlich deutlich mehr an als zuvor und das, obwohl ich damals übergewichtig war.
Irgendwie hatte ich mir zu Beginn meiner Ernährungsumstellung vom permanenten Diäthalten hin zu intuitiv mehr erhofft, schließlich sollen „10 kg Gewichtsabnahme in nur wenigen Wochen!“ keine Ausnahme sein. Doch wenn ich zurückblicke, dann sehe ich plausible Gründe, warum die intuitive Ernährung zumindest in meinem Fall zunächst gehörig nach hinten losging.
Grund Nr. 1: Ich glaubte, mich intuitiv zu ernähren. In Wirklichkeit aß ich unkontrolliert und aus den falschen Gründen.
Als ich auf die intuitive Ernährung umstellte, war ich gerade dabei, mich in das Konzept des emotionalen Hungers einzulesen. Ich hatte verstanden, dass ich Essen dazu nutzte, um unangenehme Empfindungen wie Langeweile, Wut oder auch Momente der Einsamkeit zu betäuben. Allerdings fehlte mir das nötige Know-How, um zwischen den verschiedenen Arten des Hungers zu unterscheiden. Das heimtückische am emotionalen Hunger ist nämlich, dass er sich genauso real anfühlt, wie das physische Bedürfnis des Körpers nach Nahrung.
Bei jeglichen Anzeichen von Hunger, egal ob physisch oder emotional, tat ich also folgendes: Ich aß, sobald ich Hunger verspürte, das worauf ich Lust hatte und soviel ich davon wollte. Blöd nur, dass bei emotionalen Essgelüsten keine Sättigung eintritt und man oft erst dann mit dem Essen aufhört, wenn der Bauch bereits schmerzhaft voll ist. Und genau das war auch mein Fehler: Ich glaubte die intuitive Ernährung 1:1 umzusetzen, doch ich Griff regelmäßig aus den falschen Gründen und im Übermaß nach Nahrung, was letztendlich auch zu meiner Gewichtszunahme führte.
Bevor du dich also Hals über Kopf in die intuitive Ernährung stürzt, lies dich zunächst in die Thematik des emotionalen Hungers ein und erlerne Techniken, die dir dabei helfen, zwischen den beiden verschiedenen Formen des Hungers zu unterscheiden. Sonst könnte es mit der Umsetzung nämlich ziemlich frustrierend werden. Tipps dazu findest du hier.
Darüber hinaus hat mir das Prinzip des Wohlgefühls ungemein dabei geholfen, so manche emotionale Essgelüste abzuwenden. Sich intuitiv zu ernähren, bedeutet durch die Zufuhr von Lebensmitteln bzw. Getränken einen Zustand des inneren Wohlgefühls zu erlangen. Und genau diesen Punkt schien ich immer wieder zu missachten, denn ich fühlte mich definitiv nicht nach jeder Mahlzeit wohl! Völlegefühl, Müdigkeit und allgemeines Unwohlsein gehörten nach wie vor zu meinen täglichen Begleitern.
Du musst dir vorstellen, dass Nahrung aus Sicht deines Körpers genau eine einzige Funktion hat: Sie soll deinem Körper Energie liefern, sodass dein Organismus optimal funktionieren kann. Und dies tut er am besten im Zustand des allgemeinen Wohlbefindens. Sobald du mehr zu dir nimmst, als du tatsächlich benötigst, kippt die Sache um und du wirst lethargisch, da ein Großteil aller Energie nun darauf verwendet wird, Unmengen an Nahrung zu verdauen. Typische Anzeichen hierfür sind Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Gefühl der Schwere, etc.
Achte also stets auf dein inneres Wohlbefinden. Es dient dir als Kompass, um intuitive Entscheidungen im Einklang mit deinem Körper zu treffen.
Grund Nr. 2: Lass dich nicht gehen! Die intuitive Ernährung ist kein Freischein für ein maßloses Essverhalten.
Lass uns mal Klartext reden: Wenn ich jeden Tag 2 Tafeln Schokolade zum Nachtisch esse, dann essen ich jeden Tag 2 Tafeln Schokolade zum Nachtisch! Und das ich davon durchaus zunehmen kann, ist eigentlich nicht verwunderlich. Ob ich das nun vermeintlich intuitiv angegangen bin oder auch nicht, spielt dabei nämlich keine Rolle. Klar, es kann immer mal Ausnahmen geben, Gelüste während der Tage vor den Tagen zum Beispiel, aber normalerweise ist solch ein Übermaß auf Dauer eher ungewöhnlich. Eine einzige Ausnahme bildet die sogenannte Übergangsphase:
Gerade zu Beginn der Ernährungsumstellung kann es sein, dass sich dein Körper das zurückholt, was lange Zeit tabu war. Und das ist auch vollkommen in Ordnung so, denn er braucht Zeit, um sich an die neuen „Spielregeln“ zu gewöhnen. Wichtig ist jedoch, dass du den Moment nicht verpasst, indem ein derartiges Übermaß zur achtlosen Gewohnheit wird, denn mit physischem Hunger hat das dann nicht mehr wirklich viel zu tun. Sei dir dessen bewusst, dass dein Körper sich nicht ein Leben lang alles zurückholen wird, was bislang verboten war. In der Regel lernt er nämlich recht schnell, dass er nun alles bekommt, worauf er Lust hat, wenn er denn tatsächlich hungrig ist.
Oft sehe ich, dass sich gerade zu Beginn viele intuitive Neulinge „gehen lassen“ und ungehindert alles zu sich nehmen, was ihnen in die Quere kommt, denn: Man darf ja nun! Versuch diesen Fehler zu vermeiden, indem du gerade aufgrund deiner neugewonnen Freiheit dein Essverhalten kritisch unter die Lupe nimmst und bestimmten, vor allem sich wiederholenden Gelüsten auf den Grund gehst. Beruf dich auf den oben genannten Aspekt des Wohlfühlpunktes und hinterfrage immer und immer wieder, ob du so viel Schokolade, etc. wirklich benötigst?
Grund Nr. 3: Intuitives Essen ≠ Diät: Es geht nicht ums Abnehmen!
Solltest du diesen Weg mit der Absicht, an Gewicht zu verlieren, angetreten sein, dann lass dir eines gesagt sein: Intuitives Essen ist keine Diät!
Sobald wir eine Ernährungsform als Diät deklarieren, stellt sich unterbewusst eine gewisse Erwartungshaltung ein, d.h. wir erwarten von diesem neuen Konzept, dass es uns bestimmten Zielen näher bringen wird. Doch mit einem Mindset, das nach wie vor der Gewichtsabnahme nacheifert, ist es schwer, den wahren Bedürfnissen des Körpers nachzugehen. So passiert es schnell, dass wir trotz guter Intentionen kategorisieren und gewisse Lebensmittel aussparen, was wiederum dazu führen kann, dass wir zum Ausgleich über unsere Maßen essen bzw. kompensieren.
Solltest du durch die intuitive Ernährung zugenommen haben, dann überdenke vor allem diesen Aspekt! Verabschiede dich von heimtückischen Kombinationen wie „Kalorien Zählen & Intuitive Ernährung“ oder auch „Clean Intuitive Eating“. Mach es ganz oder gar nicht, denn halb intuitiv funktioniert schlichtweg einfach nicht.
Obwohl ich einige Umwege sowie Höhen und Tiefen im Bezug auf die intuitive Ernährung erleben durfte, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es sich bei dieser natürlichsten Form der Ernährung um den einzig wahren Weg handelt! Wenn du dich mit den grundlegenden Prinzipien nämlich auseinandersetzt, dann wirst du sehen, dass dieses Konzept eigentlich nur funktionieren kann. Und wenn es das nicht tut, dann liegt es oft eher daran, dass es (noch) nicht richtig umgesetzt wird. Deshalb: Unbedingt am Ball bleiben, denn es lohnt sich!
Ich wünsch dir viel Spaß bei der Umsetzung und hoffe, dass ich mit diesem Beitrag einige Fragen und Zweifel aus dem Weg räumen konnte. Und falls nicht, dann schreib mir einfach hier!
Hast du ebenfalls die Erfahrung gemacht, bei der Umstellung zur intuitiven Ernährung zuzunehmen? Welche Konsequenzen hast du daraus gezogen? Bist du am Ball geblieben oder hast du die Flinte ins Korn geworfen? Ich bin wirklich gespannt auf deine Meinung in den Kommentaren.
Disclaimer: Dieser Artikel bezieht sich auf eine ungewollte Gewichtszunahme, für den Fall, dass du im Normal-bzw. Übergewicht bist. Solltest du auf Basis einer Essstörung an Untergewicht leiden (siehe Anorexie), dann ist eine Gewichtszunahme als positiver Nebeneffekt der intuitiven Ernährung zu erwarten.
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Hallo,
danke für den tollen Artikel. Ich habe zu Beginn auch etwas zugenommen bin aber am Ball geblieben und mit der Zeit hat es sich total geändert und ich hab ganz automatisch einiges abgenommen. Woran das lag? Ich bin mir nicht sicher, ggf. hat sich der Körper wirklich einiges was er nicht zu Genüge hatte, zurückgeholt. Mir war das aber egal, ich hab gemacht was sich gut angefühlt hat. Genau das kann ich nur jedem empfehlen: Gebt nicht gleich auf. Intuitives Essen ist keine Crashdiät, sondern eine Umstellung der Gewohnheiten und das dauert nunmal!
LG
Lisa
Hallo liebe Lisa,
vielen Dank fürs Vorbeischauen!! Es bedarf oft ein wenig Zeit & ich glaube auch, dass sich der ganze Stoffwechsel nur langsam umstellt. Es ist ein Weg, der sich aber trotz aller Hürden absolut lohnt!
Von Herzen
Franzi
Intuitives Essen finde ich super, es ist leider nicht einfach dieses wieder zu erlernen. Ich habe es mit viel Ausdauer geschafft und werde auch zukünfitg versuchen, dran zu bleiben, auch wenn es gar nicht so einfach ist. VG Von Sam
Da hast du absolut recht Sam, es ist ein Prozess der einem definitiv Geduld abverlangt. Doch es lohnt sich einfach sowas von, am Ball zu bleiben <3
Ich befinde mich zurzeit gerade noch sehr am Anfang. Die Phase mit dem zurückholen hatte ich bereits schon, habe glaube ich auch bisschen zugenommen, aber wurde leider wieder ein wenig aus der Bahn geworfen. Erlich gesagt finde ich es auch nicht leicht, aber ich bleibe drann…
Hallo liebe Sina,
diese Phase ist auch für die meisten alles andere als leicht. Ich wünsche dir Durchhaltevermögen & eine gehörige Portion Vertrauen in deinen Körper, dass sich alles regeln wird, wenn du voller Zuversicht am Ball bleibst.
Von Herzen
Franzi