Warum es manchmal so verdammt schwer ist, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen
Wusstest du, dass es den meisten Menschen verdammt schwerfällt, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen, obwohl sie rein theoretisch die Möglichkeit dazu hätten? Der Klassiker: Statt im Zustand der Erschöpfung einfach mal eine Pause einzulegen, drücken wir so lang weiter auf das Gaspedal, bis es zu spät ist. Dabei nehmen wir sogar emotionales Essen als Ventil in Kauf, anstatt einfach mal alles stehen und liegenzulassen. Paradox, oder? Ich bin der Sache auf den Grund gegangen, nicht zuletzt, weil ich selbst ein Lied davon singen kann.
Bedürfnisse sind ein Verlangen nach etwas, das wir brauchen, um zur eigenen Mitte zu finden. Im Fokus dieses Strebens können sowohl Gefühle, Zustände als auch Objekte stehen. Wenn wir erschöpft sind, sehnen wir uns beispielsweise nach Ruhe und Entspannung, wenn wir physisch hungrig sind, nach Nahrung. Schaffen wir es nicht, unseren Bedürfnissen nachzukommen, geraten wir in einen Mangel und das kann ganz schön unangenehm sein.
Die meisten Menschen wachsen ohne ein Bewusstsein für ihre eigenen Bedürfnisse auf.
In unseren ersten Lebensjahren lernen wir alles Mögliche, das Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse gehört jedoch eher weniger dazu. Wir orientieren uns auf unserem Lebensweg zunächst an äußeren Gegebenheiten wie gesellschaftlichen Normen. Tieferliegende Wünsche spielen dabei keine große Rolle. Das Streben nach Schema F steht im Vordergrund unseres alltäglichen Handelns.
Hinterfragen, ob Schema F wirklich das ist, was wir wollen, tun die wenigsten von uns.
Es gibt viele Menschen für die eine derartige Lebensweise wunderbar funktioniert. Doch es gibt eben auch jene, bei denen das nicht der Fall ist. Die Folge: Das eigene Leben gerät mit der Zeit dermaßen in eine Schieflage, dass sich der chronische Mangel nicht mehr länger leugnen lässt. Das Fass läuft über.
Droht der Mangel gefährlich groß zu werden, wird ein natürlicher Prozess in Gang gesetzt.
Wir beginnen, den Status Quo zu hinterfragen. Zweifel an unserer gesamten Lebensführung überrollen uns wie aus dem Nichts. Wir sehnen uns nach Antworten, lesen Ratgeber und tauschen uns mit anderen aus. Dabei entwickeln wir unbewusst ein Bewusstsein für unsere wahren Bedürfnisse und lernen, was wir brauchen, um zurück zu unserer Mitte zu finden.
Doch Wissen allein reicht oftmals nicht aus, um den Mangel zu beseitigen.
Der Wunsch, ins eigene Gleichgewicht zurückzufinden wird zum übergeordneten Ziel. Interessanterweise sind die meisten unserer Bedürfnisse gar nicht mal so schwer zu stillen. Klar wäre es ein riesiger Schritt, den Job zu kündigen, wenn ich einem Burn-Out nahe bin. Doch kleine Pausen zwischendurch sollten eigentlich kein Problem sein. Tatsächlich gelingt es aber den wenigsten, die Brücke zwischen Erkenntnis und Umsetzung zu schlagen.
Bye Bye ideales Selbst, hallo Realität!
Der Psychologe Carl Rogers beschreibt in seiner Arbeit zwei Arten von Selbst: Das reale Selbst, wie man ist, und das ideale Selbst, wie man sein möchte. Bei den meisten Menschen herrscht eine große Inkongruenz zwischen den beiden, sprich die Vorstellung davon, wie wir idealerweise sein wollen, weicht stark davon ab, wie wir tatsächlich sind. Besonders interessant: Die wenigsten Menschen leben aus Sicht ihres wahren Selbsts, stattdessen sind sie so überzeugt von der Illusion ihres Idealbildes, dass sie glauben, es sei real. Und genau hier fängt das Dilemma an.
Unsere Bedürfnisse bedeuten für unser Idealbild den sicheren Tod.
Sobald wir unseren Bedürfnissen auf den Grund gehen, stellen wir fest, dass wir einer Illusion verfallen sind. Unsere Bedürfnisse zeigen uns, wer wir wirklich sind und das kann verdammt weh tun.
Kein Wunder, dass uns die Umsetzung so schwerfällt, schließlich heißt es jetzt: Loslassen!
Obwohl ich mich noch immer ab und zu dabei ertappe, wie ich meinem Idealselbst hinterher eifre, kann ich meine Bedürfnisse bei weitem besser annehmen und befriedigen, als das vor einigen Jahren noch der Fall war. Nicht zuletzt, weil ich eine wichtige Sache verstanden habe:
“Du hörst nicht auf zu wachsen, nur weil du dich so akzeptierst, wie du bist. Ganz im Gegenteil: Du kommst der Person, die du sein möchtest, näher als jemals zuvor aber eben auf deine ganz individuelle Art und Weise und vor allem in deinem ganz eigenen Tempo.”
Ich dachte immer, wenn ich meine Bedürfnisse akzeptiere, dann hätte ich versagt. Also pushte ich mich regelmäßig über meine Grenzen hinweg, doch meine Erkenntnis war stets dieselbe: Ich wurde weder leistungsfähiger noch zufriedener mit mir selbst.
Erst als ich anfing, meine Bedürfnisse wirklich anzunehmen, wuchs ich über meine eigenen Grenzen hinaus.
Mittlerweile bin ich zutiefst davon überzeugt, dass unsere Bedürfnisse nicht dazu da sind, um uns einen Strich durch die Rechnung zu machen. Bedürfnisse wirken vielmehr wie ein innerer Kompass, der uns unser tollstes Leben bescheren kann, sofern wir lernen, im Einklang mit ihnen leben.
Mein größtes Learning: Adäquate Pausen und Leistungsfähigkeit schließen sich nicht aus.
Seit ich angefangen habe, mehr auf meine innere Stimme zu hören, habe ich das Gefühl meinem Idealselbst auf ganz natürliche Art und Weise ein ganzes Stück näher gekommen zu sein, ohne dabei zwanghaft Perfektion anzustreben. Ich habe gelernt, dass sich beispielsweise adäquate Pausen und Leistungsfähigkeit nicht ausschließen. Es geht vielmehr darum, einen natürlichen Rhythmus zu finden, der individuell zu einem passt.
Sei dir darüber im Klaren, dass du dir deine Bedürfnisse nicht aussuchst.
Genauso wie du dir nicht aussuchen kannst, welche Haarfarbe oder Körpergröße du von Natur aus hast, liegt es nicht in deiner Hand, welche Bedürfnisse du in dir trägst. Wenn dein Körper eine Pause braucht, weil er müde und erschöpft ist, dann ist das eben so.
Du kannst deine Bedürfnisse zwar ignorieren, doch an der Tatsache, dass sie da sind, ändert das nichts.
Frag dich zuallererst, was wirklich das Problem ist: Geht es darum, dass du dein Bedürfnis tatsächlich nicht erfüllen kannst oder geht es eher darum, dass du dir dein Bedürfnis nicht eingestehen möchtest, weil es mit deinem idealen Selbstbild nicht kompatibel ist?
Ist Letzteres der Fall, dann erinnere dich daran, dass du die Lücke zwischen deinem realen und deinem idealen Selbst am ehesten schließen wirst, indem du liebevoll annimmst, was du wirklich brauchst. Weder Zwang noch harsche Selbstkritik sind zielführend, denn sie lassen die Kluft zwischen der Realität und deinen Vorstellungen noch größer werden.
Was wäre, wenn du dem Universum einfach vertrauen würdest, dass es dich mit all den Bedürfnissen ausgestattet hat, die du brauchst, um ein glückliches Leben zu führen?
Ich weiß, es ist nicht immer leicht, darauf zu vertrauen, dass das Universum es gut mit uns meint, doch was hast du schon groß zu verlieren? Probier es einfach aus und lass dich überraschen, wie leicht sich das Leben anfühlen kann, wenn du es im Einklang mit deinen Bedürfnissen lebst.
Im Übrigen habe ich in diesem Post das Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung lediglich stellvertretend für viele andere Bedürfnisse benutzt. Du kannst den Grundgedanken natürlich auf andere Bedürfnisse übertragen.
Welchen Zugang hast du zu deinen Bedürfnissen? Fällt es dir leicht, darauf einzugehen, was deine innere Stimme dir sagt oder ist es eher ein Kampf? Ich bin gespannt auf deine Erfahrungen, die du gerne in den Kommentaren mit uns teilen kannst.
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- Das Modell der Koshas hat mir selbst unglaublich dabei geholfen, zu verstehen, welche Bedürfnisse ich habe. Mehr dazu findest du auf Fuck Lucky Go Happy im Artikel Spiritueller Hunger: Wenn Essen nicht satt macht
- Du möchtest mehr über deine eigenen Bedürfnisse lernen und herausfinden, wie du sie stillen kannst? Dann schreib mich an. Ich freue mich sehr, dich auf deinem Weg im Rahmen eines psychologischen Coachings zu begleiten.
- Hier findest du hilfreiche Tipps, wie die du deinen physischen Hunger von anderen Bedürfnissen unterscheidest.